Hi Mike,
an der GÜSt Marienborn gab es drei unterschiedliche Arten von Sperren, die in der Lage waren, Kraftfahrzeuge aufzuhalten.
Ich war dort 87-88 in der Sicherungskompanie, dass heißt meine Erfahrungen sind ein wenig nach deiner Zeit gesammelt, aber ich denke, in dieser Hinsicht hatte sich dort nicht viel geändert.
Gehen wir 'mal von Osten nach Westen vor.
Ca. 5km vor der Grenzlinie, so 2-3km vor dem Kontrollterritorium war ein Kontrollpunkt der Volkspolizei angeordnet. Wir nannten das Ding KP59.
Dort gab es eine sogenannte Kombisperre. Normalerweise wurden hier Fahrzeuge vorkontrolliert, die aus dem Ostblock kamen.
Die Kombisperre sah aus wie ein großes Absperrgitter. Sie ruhte parallel zur Fahrbahn und konnte wie ein Tor per Knopfdruck geschlossen werden. Besonderheit war, dass sie auch einem Anprall von Westen aus sehr gut standhielt. Sie war praktisch das einzige Sperrmittel, das einen West-Ost-Durchbruch technisch stoppen konnten.
Auf dem Bild sieht man die Kombisperre in Aktion genau bei so einem West-Ost-Durchbruch 1987 oder 88.

Bild wurde angepasst - Klicke auf das Bild, um eine Originalansicht zu erhalten Im Kontrollterritorium und im westlich angrenzenden Grenzstreckenabschnitt folgten sogenannte Sperrschlagbäume. Das waren optisch etwas dickere runde Schranken, die jedoch mit Drahtseilen gefüllt waren und mittels massiven Betonwiderlagern extrem haltbar gemacht wurden. SIe wirkten nur in Ost-West-Richtung, vom Westen konnten sie einfach aufgeschoben werden. Auch sie ruhten parallel zur Fahrbahn und konnte wie ein Tor per Knopfdruck geschlossen werden. Der Antrieb erfolgte über ganz normale Elektromotoren.
Die letzten Sperrschlagbäume standen etwa 800 m vor der Grenzlinie
Ein Sperrschlagbaum in Aktion bei einem versuchten Durchbruch ebenfalls 87 oder 88.

Bild wurde angepasst - Klicke auf das Bild, um eine Originalansicht zu erhalten Ca. 400m vor der Grenze befanden sich in Berlin die letzten Sperrelemente auf der Autobahn. Das waren die Kfz-Rollsperren, von den Grenzern "Pfiffies" genannt.
Von außen sah das ganze ähnlich aus, wie auf dem Bild-Link von Virago.
Die Pfiffies standen in dieser Hütte, die man dort sieht, auf einer schiefen Ebene auf Gleisen, die über die Fahrbahn liefen.
Der im Vordergrund rechts zu sehende Betonblock ist eigentlich nur ein massives Widerlager, in das die Rollsperre bei Auslösung einfuhr, um ein Herausreißen durch Fahrzeige zu verhindern.
Die Konstruktion auf einer der vier Fahrbahnen in Marienborn:
Ein Blick aus der "Hundehütte" auf die Straße. Auf dieser Ebene stand die Rollsperre...
...die für sich alleine fotografiert, so aussah:
Vorne rechts an dem Stahlmonster sieht man eine kleine Quertraverse. Dort wurde am oberen Ende der Hundehütte ein großer Stahlhaken eingerastet, der den Pfiffie auf der schiefen Ebene festhielt.
Das ganze funktionierte, physikalisch völlig unspektakulär nach einem sehr wirtschaftlichen Prinzip, dass schon Galileo Galilei kannte: Der Gravitation.
Im Alarmfall wurde per Knopfdruck in der benachbarten Führungsstelle einfach nur der Haken angehoben und die Rollsperre rollte (was sonst) in Affenzahn und mit ordentlich Lärm die schiefe Ebene herunter über die Straße und prallte gegenüber mit einem ganz normalen Eisenbahnpuffer in das Betonwiderlager.
Natürlich hätten auch die Pfiffies einem West-Ost-Durchbruch standgehalten, aber sie standen ja so weit im Westen und von Westen gesehen noch vor dem KT, dass ja keiner wissen konnte, ob es ein Durchbruch werden würde
Am "Heck" der Rollsperre hing ein starkes Drahtseil, mit dessen Hilfe und einer elektrischen Winde die Sperre anschließend wieder in Ruheposition zurückgezogen werden konnte.
Also nochmal ganz deutlich: Es gab keine Sperren, die mit irgendwelchen Sprengsätzen in den Straßenraum katapultiert wurden. Aber die Wirkung der Kfz-Rollsperren war ähnlich. Das schließen dauerte maximal 3-4 Sekunden. Augenzeugen mögen vielleicht von Sprengsätzen berichtet haben. Vor den Pfiffiehütten hingen Pendeltüren aus Stahlblech, die bei Auslösung von den Pfiffies hochgestoßen wurden. Das gab einen enormen Knall, den man vielleicht als Explosion interpretiert haben könnte.
Die Konstruktion machte jedoch irgendwelche Antriebe völlig überflüssig und wäre auch wirtschaftlich gar nicht zu vertreten gewesen, denn die Sperren wurden jede Nacht mindestens einmal zur "Alarmüberprüfung" geschlossen - wie auch alle anderen Schranken und Sperreinrichtungen.
Dadurch gab es jede Menge Augenzeugen...vornehmlich Reisende, also Westgermanen.
Die Pfiffies waren so aufgebaut, dass durch die Hütten, die Widerlager, die Sperren selber und Begrenzungsmauern rechts und links der äußeren der vier Richtungsfahrbahnen ein praktisch lückenloses Sperrband gebildet werden konnte. Der Querschnitt der Fahrbahnen war allerdings nicht eingeengt in diesem Bereich.
Völlig richtig ist, dass die ausgelöste Rollsperre ein Fahrzeug, das sich gerade auf den Gleisen befindet zerquetscht hätte. Die Masse und die Geschwindigkeit hätten zweifellos dafür gesorgt.
Als Vorsorge wurden deshalb die Pfiffies von der Führungsstelle aus geschlossen. Die lag unmittelbar neben der Sperrstrecke, und der Mann am Knopf hatte freie Sicht auf den Wirkungsbereich.
Man muss natürlich wissen, dass zum Schließen der Sperren immer genug Zeit bestand. Ein Flüchtling hätte ja schon den KP59 5km weiter östlich durchbrechen müssen. Und selbst wenn dies nicht aufgefallen wäre, hätte er sich im Kontrollterritorium (KT) der Kontrolle entziehen müssen. Und auch hier gab es noch vor der eigentlichen Kontrolle die sogenannte Vorkontrolle Ausreise (VKE).
Um eine ausreichende Reaktionszeit zur Verfügung zu haben, wurde ja nun extra das KT so weit östlich installiert.
Ein Fahrzeug mit i.M. 120 km/h (mehr gab der östlichre Fahrzeug-Pool nicht her) brauchte mindestens 15 sek. vom KT bis zu den Rollsperren. In dieser Zeit konnte man die vorhandenen Ampeln auf Rot setzen, die Schranken zur Absicherung gegen Unbeteiligte Kfz schließen UND die Pfiffies 'rauslassen.
So weit mir bekannt, hat es in der Geschichte der GÜSt Marienborn nur ein Fahrzeug bis zu den Pfiffies geschafft. Das war ein Tanklastzug, dessen Fahrer einen Durchbruch wagte.
Uns hat man jedoch erzählt, man hätte ihn mutwillig bis dorthin fahren lassen, weil man nicht wusste, ob er beladen war und man nicht eine Explosion mit katastrophalen Folgen riskieren wollte, wenn er im Bereich des KT in einen Sperrschlagbaum rast.
An den Pfiffies befanden sich ja "nur zwischen 3 und 5 Grenzer
Das klingt plausibel, denn es wäre ein Leichtes gewesen, einen relativ langsamen Lastzug frühzeitig zu stoppen.
Nochmal zu den aus Versehen möglicherweise zerquetschten Fahrzeugen.
Da ja sehr häufig lange Staus bei der Einreise entstanden, bestand die Gefahr, das im Stau zum Halt kommende Fahrzeuge genau auf den Gleisen stoppen... Das wäre natürlich bei Alarmauslösung eine fatale Situation gewesen.
Deshalb wurden bei solch starkem Grenzverkehr zusätzliche Grenzer auf die Autobahn geschickt, die als Regulierer den Stau jeweils vor den Rollsperren unterbrechen mussten. Das heisst sie stoppten den Verkehr auf der betroffenen Richtungsfahrbahn zeitweise einfach per Handzeichen (mit dem allseits bekannten schwarz-weißen Leuchtstab), so dass die Autoschlange im Bereich der Gleise ständig unterbrochen war und man die Sperren jederzeit hätte schließen können.
Bearbeitet von sentry am Freitag, 05.August 2005, 07:51 Uhr