"Die fremden Streitkräfte" | |
Nachfogend wird mit freundlicher Genehmigung des Verlages 8. Mai GmbH die Beilage der "Jungen Welt" wiedergegeben. Sie wurde anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung der NVA in der Ausgabe vom 01.03.2006 veröffentlicht |
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Datum | Titel | Autor | Link |
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01.03.2006 | Kampfauftrag: kein Krieg | Peter Rau | |
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01.03.2006 | 34 Jahre NVA im Überblick | (jw) | |
3 |
01.03.2006 | Die tatsächliche Gefahr aus der DDR: Friedensangebote und Abrüstungsvorschläge | (jw) | |
4 |
01.03.2006 | Antifaschist der ersten Stunde | Julian Weber | |
5 |
01.03.2006 | Dokumentiert. »Stets zuverlässige Waffenbrüder und treue Verbündete« | ||
6 |
01.03.2006 | »Kein Grund, sich zu schämen« | Peter Rau (Gesprächsführung) | |
7 |
01.03.2006 | Im Stab der Koalitionstruppen | Karl Harms | |
8 |
01.03.2006 | Die Gründergeneralität | Daniel Christian | |
9 |
01.03.2006 | Soldat im Dauerstreß | Klaus Fischer | |
10 |
01.03.2006 | Feindbilder | Jens Walther | |
11 |
01.03.2006 | Wir trauern um... | ||
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01.03.2006 | Abgeschrieben von |
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Kampfauftrag: kein Krieg |
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von Peter Rau | |
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Oder auch nicht: Die schußlos obsiegende Bundeswehr mit ihren gestandenen »Staatsbürgern in Uniform« und »Soldaten in der Demokratie«, die die Reste der ungeschlagen geschlagenen Armee übernahmen, hatte für die Angehörigen der NVA, nachdem sie am 2. Oktober 1990 auch noch trophäenmäßig deren letzten Truppenfahnen eingesackt hatten, ein besonderes Abschiedsgeschenk parat: den Stempel »Gedient in fremden Streitkräften«. Damit ist die bisher einzige deutsche Armee, die nie fremdes Territorium unter ihre Stiefel genommen und nie einen Krieg geführt hatte, militärisch kurz und bündig aus der deutschen Militärgeschichte herausmanövriert worden. Das mag viele der so Abgestempelten bitter betroffen machen, es steckt jedoch mehr als nur ein Körnchen tröstlicher Wahrheit in diesen vier simplen Worten. (Die eventuellen rentenrechtlichen Konsequenzen, so böse sie im Einzelfall auch sein mögen, muß ich in dem Zusammenhang mal unbeachtet lassen.) Die Abqualifizierung der DDR-Streitkräfte als »fremde Streitkräfte« durch die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bundeswehr beweist schließlich genaugenommen nur: Sie haben den Charakter dieser Truppe nicht verstanden. Eine Armee, die keinen Krieg in den Stiefeln hat, die Krieg verhindern will, ist ihnen fremd. Eine Armee, die einem potentiellen Angreifer auf Militärparaden die Instrumente zeigt und gewissermaßen mit dem Säbel rasselt, um keine Säbel ziehen zu müssen. Eine Armee, in der einfache Arbeiter höchste Kommandostellen bekleiden. Eine Armee, die nicht die Wehrmachtstradition hochhält. Eine Armee, die von gestandenen Antifaschisten, von Leuten, die gegen Hitler und Nazideutschland Widerstand leisteten, aufgebaut und in diesem Sinne fortentwickelt worden ist. Eine Armee, die Feinden von einst Freund und Waffenbruder war. Eine Armee gar, die von einer Partei »instrumentalisiert« wurde, deren erster Mann den »Sinn des Soldatseins im Sozialismus« darin sah »zu verhindern, daß die Waffen sprechen«. Eine Armee, die auf einen Staat eingeschworen war, der Frieden meinte, wenn er Frieden sagte. Wer eine solche Armee nicht versteht, der muß folglich anders gestrickt sein. Wem eine solche Armee fremd vorkommt, der bestätigt damit nur: Alles, was die NVA war, das alles ist die Bundeswehr nicht. Und da kann einer als »Gedienter in fremden Streitkräften« doch ziemlich stolz drauf sein. Ich jedenfalls bin es.
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34 Jahre NVA im Überblick |
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(jw) | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die tatsächliche Gefahr aus der DDR: Friedensangebote und Abrüstungsvorschläge |
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Im selben Jahr wird eine von westdeutschen Friedenskräften angeregte Volksbefragung gegen die Remilitarisierung in beiden deutschen Staaten von der DDR durchgeführt und in der BRD von Staats wegen untersagt. 1954 wurde zum wiederholten Mal der gegenseitige Verzicht auf den Beitritt zu Militärbündnissen und eigene Armeen angeregt. Und am selben Tag, an dem die Volkskammer die Schaffung der NVA beschlossen hat, offerierte die DDR-Regierung einen gegenseitigen Gewaltverzicht. Im Mai 1956 wurde vorgeschlagen, auf die Einführung der Wehrpflicht zu verzichten, wenigstens eine Vereinbarung über die Begrenzung der Streitkräfte zu treffen und keine Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden zuzulassen. Drei Jahre später legte die DDR-Regierung Bundeskanzler Adenauer den Abschluß eines Nichtangriffspaktes nahe. Wenige Monate später wurde ein acht Punkte umfassender Vorschlag zu Abrüstung und Verständigung vorgelegt: Dazu gehören u. a. Verzicht auf jedwede Atomrüstung wie auf die Wehrpflicht, sofortiger Rüstungsstopp, Beschränkung der Streitkräfte, Verbot jeder Form von Kriegspropaganda und Verzicht auf territoriale Forderungen gegenüber anderen Staaten. 1960 folgte ein Vorschlag für allgemeine und vollständige Abrüstung in Deutschland sowie, auf dem Wege dahin, eines bilateralen Friedensabkommens für zunächst zehn Jahre. Auch in den Jahren nach dem 13. August 1961 werden immer wieder vergleichbare Angebote unterbreitet – unannehmbar konnten sie nur für ein Regime sein, das Grenzen in Frage stellt, Ansprüche auf fremde Gebiete erhebt oder eben das eigenen Land sonstwo in der Welt verteidigen möchte. |
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Antifaschist der ersten Stunde |
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von Julian Weber | |
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Er hatte Glück, hier jedenfalls. Nur einen Monat später, während einer Entlastungsoffensive bei Brunete, wurde er von mehreren Schüssen in Unterleib und Beine schwer verwundet; die Genesung – zuerst im Lazarett in Spanien, später in einem Pariser Hospital und schließlich in der Sowjetunion – zog sich jahrelang hin. Auch nach dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die UdSSR war an einen militärischen Einsatz nicht zu denken. Seine Partei, die KPD, der er seit seinem 20. Lebensjahr angehörte, schickte ihn in Absprache mit den sowjetischen Genossen als Instrukteur in ein Kriegsgefangenenlager. Später arbeitete er als Lehrer an der Zentralen Antifaschule; in einem der letzten Lehrgänge zählten auch die in Kriegsgefangenschaft geratenen Wehrmachtsgenerale Arno von Lenski und Vincenz Müller zu seinen Kursanten ... Beide gehörten 1956 zur ersten Generalsgeneration der NVA. Zu dieser Zeit drückte ihr früherer Lehrer – der bereits 1949, noch vor Gründung der DDR, als Vizepräsident der Verwaltung des Innern zum Generalinspekteur ernannt worden war und 1952 bis 1955 im Range eines Generalleutnants an der Spitze der KVP gestanden hatte – noch bis 1957 an der sowjetischen Generalstabsakademie selbst die Schulbank, um das nötige Rüstzeug für künftige Aufgaben zu erwerben. Zwischen 1957 und 1960 war Hoffmann 1. Stellvertreter des Verteidigungsministers, ehe er von Willi Stoph das Ministeramt übernahm, das er bis zu seinem Tod am 2. Dezember 1985 bekleiden sollte. Und mögen sich heutige Zeitgenossen, die dem Mann zwar durchaus Charisma, lauteren Charakter und eine umgängliche Art bescheinigen, auch über die oft derbe Sprache des Militärs und Klassenkämpfers Hoffmann wie seine »vom Geist des Kalten Krieges getragenen Reden« (so der ehemalige DDR-Militärhistoriker Paul Heider in einer biografischen Skizze) monieren: Der Minister hatte wohl recht damit, wenn er seine Truppen stets mahnte und darauf orientierte, besser auf den Kampf vorbereitet zu sein als der Gegner, um diesen eben von kriegerischen Abenteuern abzuhalten. Das jedenfalls läßt sich heute angesichts wenig friedlicher Zeiten unschwer konstatieren. |
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Dokumentiert. »Stets zuverlässige Waffenbrüder und treue Verbündete« |
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Wir gratulieren euch herzlich zum 50. Jahrestag der Gründung der NVA der DDR! Die Soldaten der Sowjetarmee und der GSSD (Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland – d. Red.) hatten zuverlässige Waffenbrüder und treue Verbündete an ihrer Seite – die Angehörigen der NVA der DDR, die Schulter an Schulter mit ihnen ihre Pflicht erfüllten. (...) Die NVA erfüllte immer treu ihre Bündnisverpflichtungen und betrachtete es als ihre vordringliche Aufgabe, hohe Wachsamkeit zu üben und ihre Gefechtsbereitschaft auf dem erforderlichen Stand zu halten. Dazu trugen die planmäßig im Koalitionsbestand durchgeführten Übungen und Manöver bei. Wir denken dabei an die gemeinsamen Übungen Quartett (1963), Oktobersturm (1965), Waffenbrüderschaft (1970 und 1980), Sojus-8l, Sojus-83, Jug-84. (...) Erfahrungsaustausch, Wettbewerb auf den Truppenübungsplätzen, gemeinsame Gefechtstrainings der Bedienungen und Besatzungen waren Alltag im Leben der Soldaten der NVA und der GSSD. Direkte Kontakte mit den Waffenbrüdern, Bekanntschaften, Gespräche über ihr Leben, ihre persönlichen Wünsche und Pläne brachten die Soldaten beider Armeen einander näher. Sie waren sich immer sicher, daß einer sich auf den anderen verlassen kann. Gemeinsame Übungen, Feldlager und Gefechtsschießen bleiben für immer in der Erinnerung von Hunderttausenden unserer Soldaten und Offiziere, die in der GSSD ihren Dienst leisteten. (...) Die herzlichsten Worte des Dankes und der Anerkennung für ihre Tapferkeit, treue Pflichterfülllung und ihren Soldatendienst verdienen die Veteranen der NVA, die in der ersten Reihe der Verteidiger der Westgrenze der DDR standen. 50 Jahre NVA sind ein vortrefflicher Anlaß, die Traditionen der Waffenbrüderschaft, die Kameradschaft zwischen den Veteranen der NVA und den Veteranen der Sowjetarmee zum Wohle des Friedens und der Sicherheit der Völker weiter zu pflegen. (...) Mit herzlichem Dank und Hochachtung Marschall der Sowjetunion V.G. Kulikow |
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»Kein Grund, sich zu schämen« |
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Das Gespräch führte Peter Rau | |
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- Im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag der NVA-Gründung gäbe es einem General der ersten Stunde, der bis ins Jahr 1989 an führender Stelle die Geschicke der DDR-Streitkräfte mitbestimmt hat, sicher viel mehr Fragen zu stellen, als hier vom Platz her möglich ist. Zunächst zur Vorgeschichte: War die NVA tatsächlich nur eine Reaktion auf die Einbeziehung der BRD in die NATO (Februar 1955) und die Schaffung der Bundeswehr im November 1955, wie die zeitlichen Abläufe nahelegen? Oder war die Bundeswehr ihrerseits nur eine Reaktion auf die Kasernierte Volkspolizei, die ab 1952 formiert und im Westen als getarnte Armee angesehen wurde? Was die unmittelbare Vorgeschichte des Volkskammerbeschlusses vom 18. Januar 1956 über die NVA und dessen konkrete Beratungen angeht, kann ich wenig Authentisches sagen. Ich weilte gemeinsam mit einigen anderen Genossen seit August 1955 zu einem längeren Lehrgang an der Akademie der sowjetischen Luftstreitkräfte in Monino bei Moskau. - Aber erfolgte dieses Studium nicht schon mit Blick auf die Umwandlung der KVP in die NVA? Sicher. Doch die Nachrichten aus Berlin trafen uns in Monino trotzdem überraschend – selbst die neuen NVA-Uniformen und Dienstgradabzeichen usw. mußten wir uns erst aus der Heimat schicken lassen. Aber der Gedanke, daß es zu einem gegebenen Zeitpunkt notwendig werden könnte, die Kasernierte Volkspolizei in eine reguläre Armee umzuwandeln, war natürlich schon länger präsent. Der konkrete, den Volkskammerbeschluß vom 18. Januar 1956 auslösende Moment ist aber in der Tat nur vor dem Hintergrund des Geschehens in der Bundesrepublik zu sehen. Damit ergab sich für die DDR, seit Mai 1955 Mitglied des Warschauer Vertrages und dessen westlicher Vorposten, eine zusätzliche Verpflichtung, unseren Teil zum Schutz der Staatengemeinschaft beizutragen. - Hätte dazu die KVP nicht auch ausgereicht? Die war doch immerhin 1952 mit demselben Anspruch und als Reaktion auf die erkennbar forcierte Remilitarisierung im Westen formiert worden ... Ich denke, daß Struktur und Gliederung der KVP nicht den Anforderungen der sozialistischen Verteidigungskoalition genügt hätten. Dort wäre eine KVP nicht einpaßbar gewesen. Zweitens glaube ich, daß man richtigerweise davon ausgegangen ist, nach Aufstellung einer westdeutschen Armee mit der Nationalen Volksarmee besonders auch die Eigenständigkeit und Souveränität der DDR als Teil der sozialistischen Staatengemeinschaft zu unterstreichen. Als sich mit Bildung der Bi-, später der Trizone und schließlich der BRD-Gründung andeutete, daß dort die alten Kräfte, gestützt auf die neuen westlichen Verbündeten, darangingen, die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges in Frage zu stellen und zu revidieren trachteten, wurde in der DDR – natürlich noch ohne klare Konturen und feste Vorstellungen – schon die Möglichkeit mitgedacht, daß einmal eine Zeit kommen könnte, wo es nötig sein würde, die Schaffung einer eigenen, DDR-spezifischen Armee ins Auge zu fassen. - Bundeskanzler Adenauer ist selbst von westdeutschen Historikern wiederholt vorgeworfen worden, die Spaltung Deutschlands und die Gründung der Bundesrepublik nur betrieben zu haben, um eine Armee aufstellen zu können – Streitkräfte, die in der Tradition und im Geist der faschistischen Wehrmacht die alten Ziele erneut ins Visier nehmen sollten. Fraglos: Die Bundeswehr ist entscheidend von ehemaligen Wehrmachtsgeneralen und -offizieren geprägt worden, die ihren alten Träumen nachhingen und »verlorenen Siegen« (Generalfeldmarschall Manstein) nachtrauerten. Doch auch KVP bzw. NVA haben auf erfahrene Wehrmachtsoffiziere nicht verzichtet – nicht verzichten wollen oder nicht verzichten können? Dazu muß ich etwas weiter zurückgehen in der Geschichte und an die 1943 in der Sowjetunion entstandene Bewegung »Freies Deutschland« sowie den neben dem NKFD gegründeten Bund Deutscher Offiziere erinnern. Hier hatten sich Hunderte, ja Tausende kriegsgefangene Wehrmachtsangehörige zusammengetan, die sich – oft erst nach langen Diskussionen und inneren Kämpfen – von Hitler abgewandt hatten und von denen viele bereit waren, mit einer eigenen antifastischen militärischen Formation in den Kampf gegen das Hitler-Regime zu ziehen. - Diese Seydlitz-Truppe – benannt nach dem in Stalingrad in Gefangenschaft geratenen General der Artillerie Walther von Seydlitz, der Präsident des BDO und Vizepräsident des NKFD war, kam aber nicht zustande ... ... weil die politische Führung des Nationalkomitees wie die sowjetische Seite es aus politisch-taktischen Erwägungen heraus ablehnte. Worauf ich jedoch hinauswollte, war etwas anderes: Entscheidend war ihre Abkehr vom Faschismus und ihre Bereitschaft, aktiv etwas für ein schnelleres Kriegsende zu tun. Sie sind damals aber nie daraufhin angesprochen worden, ob sie bereit wären, in einem neuen, antifaschistischen Deutschland wieder eine Uniform anzuziehen. Später dann, als es auf der Tagesordnung stand, stellten einige von ihnen die Frage, ob ihre Erfahrungen nicht doch gebraucht würden und von Nutzen sein könnten. So war es mit den Generalen Arno von Lenski und Vincenz Müller oder mit Major Bernhard Bechler, die ich im NKFD wirklich gut kennengelernt hatte und von daher auch ihre Motivation beurteilen konnte. - Aber gerade am Beispiel Müller setzt auch Kritik an. Er war ja schon in der KVP Chef des Hauptstabes, wurde in gleicher Funktion in die NVA übernommen, doch schon 1958 in Pension geschickt, weil er angeblich als politisch unzuverlässig galt. Der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan ... Das ist Quatsch. Müller und die wenigen anderen Wehrmachtsgenerale waren doch nicht mehr die jüngsten und hatten von daher natürlich zunehmend Schwierigkeiten mit dem beim Aufbau einer völlig neuen Armee erforderlichen Arbeitstempo. Und sie hatten bei ihrer Herkunft und ihrem militärischen Werdegang natürlich auch Probleme, sich auf den spezifischen Charakter sozialistischer Streitkräfte einzustellen. Gegenbeispiele sind die vielen jüngeren Wehrmachtsoffiziere, die ihren Platz in unserer Armee gefunden hatten und noch viele Jahre, auch im Generalsrang, ihren Dienst versahen wie Bechler etwa als Stellvertreter des Stabschefs oder später an der Militärakademie. Er wurde erst 1971 pensioniert. - Eine andere Frage, die das Problem Wehrmacht tangiert, ist der NVA-Einsatz im Zusammenhang mit den Ereignissen 1968 in der Tschechoslowakei, in die ja schon einmal deutsche Soldaten einmarschiert waren. Definitiv: Die NVA ist nicht in die CSSR einmarschiert! Und das war nach meiner Erinnerung auch von Anfang an klar, ohne daß es sowjetischerseits etwa Einwände gegen diese Entscheidung gegeben hat. Die DDR-Führung hat von vornherein erklärt: Wir nehmen an dieser Sache nicht teil. Wir sorgen lediglich – mit entsprechend dislozierten Verbänden – auf unserer Seite der Grenze dafür, daß da nichts herüberschwappen kann. Das war unsere Aufgabe, und so wurde es auch realisiert. Zudem hatten wir auch das gleichzeitig in Bayern angesetzte NATO-Manöver »Schwarzer Löwe« mit im Blick, weil zumindest theoretisch die Möglichkeit bestand, daß von dort aus in das Geschehen eingegriffen werden könnte. Auch das war so mit dem Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte, damals Marschall Iwan Jakubowski, abgestimmt. - Der Verfassungsauftrag für die Volksarmee war klar bestimmt: Zuverlässiger Schutz der Republik und des sozialistischen Aufbaus, Sicherung des Friedens. Wie spiegelte sich das in der Militärdoktrin wider? Man muß dabei immer im Auge behalten: Die NVA war Armee im Bündnis des Warschauer Vertrages und stand zudem, gemeinsam mit der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, an der Trennlinie zum NATO-Pakt; sie war also an exponierter Stelle in die Doktrin der verbündeten Staaten und Armeen eingebunden. Hauptauftrag war, die DDR als Teil der sozialistischen Staatengemeinschaft zu schützen – zu verteidigen gegen eine mögliche Aggression von der anderen Seite. Wir hatten keine kriegerischen Absichten, keine materiellen Ansprüche oder territorialen Forderungen an irgendein anderes Land. Das einzige, was wir wollten, war, daß man uns in Ruhe und in Frieden unsere antifaschistisch-demokratische, später sozialistische Ordnung gestalten läßt. - Dennoch gab es 1987 eine Entschärfung der Militärdoktrin hin zu einer streng defensiv ausgerichteten Verteidigung. Das war kein Bruch. Ich war damals Leiter der Kommission, die das für den Politisch Beratenden Ausschuß ausgearbeitet hat. Im Kern wurde die frühere Formulierung zurückgenommen, daß wir einen Aggressor auch auf seinem eigenen Territorium schlagen würden, und noch stärker betont: Wir verteidigen lediglich die Grenzen des Sozialismus. Wir waren fest entschlossen und haben uns stets von dem Grundsatz leiten lassen, alles dafür zu tun, daß von deutschem Boden niemals wieder Krieg ausgehen kann. Das ist, solange es die NVA gab, auch nicht geschehen. Trotz mancher Fehler und Schwächen bleibt unterm Strich: Kein Soldat, kein Unteroffizier, kein Offizier, kein General braucht sich dafür zu schämen, in dieser Nationalen Volksarmee gedient zu haben. |
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Im Stab der Koalitionstruppen |
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von Karl Harms | |
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Oberste Instanz des Warschauer Vertrages war der Politisch Beratende Ausschuß, dem die Partei- und Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedsländer angehörten. Neben dem Komitee der Verteidigungsminister und dem Militärrat, in dem die Stabschefs der Armeen zusammenarbeiteten, gehörten Oberkommandierender und Stab der Vereinten Streitkräfte zu den wichtigsten Führungs- bzw. Arbeitsorganen der sozialistischen Militärkoalition. Ende 2005 versprach die neue polnische Regierung die Freigabe bisher geheimgehaltener Dokumente der sozialistischen Militärkoalition, die 1955 – sechs Jahre nach dem westlichen NATO-Bündnis – in Warschau gegründet worden war. Doch die angekündigten sensationellen Enthüllungen über den kriegslüsternen Militärpakt der kommunistischen Regime sind bisher – wie schon nach Öffnung der NVA-Archive – ausgeblieben. Für mich nicht überraschend, es deckt sich mit meinen Erfahrungen. Kein preußisches Getue 1978 erhielt ich das Angebot, in Moskau im Stab der Vereinten Streitkräfte (VSK) zu arbeiten. Bislang hatte die NVA im Oberkommando noch keinen Vertreter für Luftstreitkräfte und Luftverteidigung. Im Januar 1979 war es soweit. In Scheremetjewo angekommen, werden wir zunächst zu unserem künftigen Domizil gefahren. Der Stab verfügt über eigene Wohnhäuser. Zwei kleinere befinden sich unweit der Moskwa, im Erholungsgebiet »Serebrjanni Bor«, ein Hochhaus steht im äußersten Norden der Stadt. In diesem Hochhaus beziehe ich mit Frau und Sohn eine Drei-Zimmer-Wohnung. Sie ist mit Möbeln aus der DDR eingerichtet – alles freundlich, hell, zweckmäßig. Der Dienst beginnt um 9 und endet um 18 Uhr. Samstags ist frei, ein Luxus, den die NVA damals noch nicht genoß. Zur Dienststelle und zurück werden wir mit Bussen gefahren. Sie befindet sich am Leningradski Prospekt, rechterhand auf Höhe der Metrostation »Aeroport«. Ein Waldpark, eingegrenzt von einem mächtigen gußeisernen Zaun, die Einfahrt von hohen Säulen flankiert. Geradeaus ein helles Gebäude im Baustil der Stalin-Ära. Mein neues Arbeitskollektiv, das sind acht sowjetische Offiziere und je ein Offizier der Armeen Bulgariens, der DDR, Polens, Rumäniens, der Tschechoslowakei und Ungarns. Alle zusammen stellen wir die »Verwaltung Luftverteidigung« dar. An der Spitze steht ein sowjetischer General. Die Einrichtung der Arbeitsräume ist spartanisch: keine Aktenschränke, nur wenige Bürohilfsmittel. Ich werde freundlich begrüßt und prüfend begutachtet. Es gab bisher noch keinen Deutschen in dieser Verwaltung. Die Spannung löst sich nach dem ersten Gespräch und dem problemlosen Ubergang zum Du. Der ungarische Vertreter ist ein ehemaliger Kommilitone von der sowjetischen Luftwaffenakademie. In den folgenden Tagen muß ich mich dann noch offiziell beim Chef des Stabes der Vereinten Streitkräfte vorstellen, damals Armeegeneral Anatoli Gribkow. Die ersten Eindrücke: Das Verhältnis Vorgesetzte–Unterstellte ist korrekt, aber merklich lockerer als in der NVA. Es fehlt jegliches preußisches Getue, und es wird nur unbedingt notwendiges Papier produziert. Aber es besteht auch ein akuter Mangel an modernen Hilfsmitteln. Allereinfachste Handgriffe, zeitaufwendige, rein mechanische Arbeiten, alles muß man selbst machen. Man stellte sich bewußt darauf ein, auch unter primitivsten feldmäßigen Bedingungen, bei zugleich hoher Mobilität arbeiten zu können. Ein Zuviel an Rechentechnik der damaligen Qualität hätte dem wohl im Wege gestanden. Der Stab war Führungsorgan des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte sowie Arbeitsorgan des Komitees der Verteidigungsminister und des Militärrates. An der Spitze der einzelnen Verwaltungen stand in jedem Fall ein sowjetischer General. Neben Verwaltungen mit Querschnittscharakter – zum Beispiel Gefechtsausbildung, Aufklärung, Pioniertruppen – gab es solche, die einer Teilstreitkraft entsprachen – zum Beispiel Luftstreitkräfte, Luftverteidigung, Seestreitkräfte. Die Anzahl der Offiziere einer Nation im Stab entsprach etwa der Stärke der in die Vereinten Streitkräfte eingebrachten Truppenkontingente. Zur Wahrung nationaler Interessen gab es Stellvertreter des Stabschefs aus jeder Koalitionsarmee. Sie hielten den Direktkontakt mit den Chefs der jeweiligen Generalstäbe. Außerdem waren sie die unmittelbaren Vorgesetzten aller Offiziere ihrer Armee im Stab. Sie mischten sich nicht in die Angelegenheiten der jeweiligen Verwaltungen ein, es sei denn bei unbedingter Notwendigkeit zur Wahrung nationaler Interessen. Sinnvolle Vorherrschaft Dabei war der Stab der VSK kein Führungsstab im üblichen Sinne, sondern eher eine Institution zur Planung und Koordinierung ausgewählter militärischer Grundsatzfragen sowie zur Organisation und Leitung gemeinsamer Ausbildungsmaßnahmen. Der Stab gab allerdings keine Befehle heraus, sondern Empfehlungen (Ausnahme: Direktive für das Ausbildungsjahr). Die Einsatzplanung für einen Ernstfall gehörte nicht zu seinen Aufgaben. Und um es an dieser Stelle ganz klar zu sagen: In keiner einzigen Übung, in keinem strategischen Konzept wurde von einem Präventivschlag ausgegangen oder auch nur davon, als erste anzugreifen. Die Vereinten Streitkräfte verfügten über eine im wesentlichen einheitliche Struktur und waffentechnische Ausstattung. Die Befehlshaber, Kommandeure und Stäbe aller Armeen hatten übereinstimmende Auffassungen zur Führung moderner Operationen und Gefechtshandlungen. Es existierte eine in ihren Grundzügen überall verbindliche Methodik der operativen und Gefechtsausbildung. Das Oberkommando konnte sich jederzeit auf ein ausgebautes, ständig funktionierendes Führungssystem stützen. In den Armeen waren einheitliche Regelungen zur Aufrechterhaltung einer ständigen Gefechtsbereitschaft sowie für die Mobilmachung durchgesetzt. Geringfügige nationale Abweichungen hatten darauf keinen nennenswerten Einfluß. Eine wesentliche Besonderheit war, daß die Mehrzahl der Führungskräfte aus der Sowjetarmee kam; sie bildeten das Gros des Bestandes. Ihre Arbeitsgewohnheiten, ihre militärischen Traditionen und ihre Mentalität bestimmten folglich wesentlich den gesamten Arbeitsstil. Es gab Bemühungen, zum Beispiel von rumänischer Seite, die Besetzung leitender Funktionen anders zu gestalten, den Offizieren anderer Länder mehr Verantwortung zu übertragen. Dieses Problem wurde nicht nur einmal diskutiert. Trotzdem bin ich auch heute noch davon überzeugt, daß unter den gegebenen Umständen eine sinnvolle Vorherrschaft des sowjetischen Offiziere unumgänglich war. Sie hatten die besten Direktkontakte zu allen sowjetischen Stäben und Dienststellen, sie konnten schneller und unbürokratischer Sachfragen auf dem sogenannten kleinen Dienstweg klären. Noch ein Wort zu den Sowjetoffizieren: In den vielen Jahren ist mir kein einziger begegnet, der den Krieg als ein Mittel zur Lösung irgendwelcher Probleme ansah. »Um Gottes willen, nur keinen Krieg!« – das war ohne Zweifel die Einstellung aller, vom Leutnant bis zum Marschall. Gleichzeitig – und das führte vielleicht zu gewissen Fehleinschätzungen – zeichnete sich das sowjetische Offizierskorps durch ein hohes Selbstbewußtsein aus. Das hatte seine historischen Ursachen. Die im Feuer der Revolution entstandene Rote Armee siegte im Bürgerkrieg. Sie trug die Hauptlast des Kampfes gegen Hitlerdeutschland und konnte trotz furchtbarer Niederlagen in der Anfangsperiode des Krieges schließlich den Sieg erringen. Die Offiziere fühlten sich als die Vertreter einer vorwärtsschreitenden Großmacht, deren Verteidigung nach ihrer tiefsten inneren Überzeugung die gerechteste Sache der Welt war. Die sachlich-fachliche und meistens auch die menschliche Autorität der sowjetischen Chefs wurde nach meinen Beobachtungen von allen anerkannt. Ein Ärgernis waren zuweilen der hohe Geheimhaltungsgrad mancher Dokumente und eine unnötige, für die damaligen sowjetischen Verhältnisse typische Geheimniskrämerei. Was sich dadurch an Problemen und Schwierigkeiten ergab, läßt sich am besten am Beispiel zeigen. Gleich in den ersten Tagen erhielt ich den Auftrag, eine Übersicht zu bestimmten Sachverhalten der Truppen der Luftverteidigung der Länder zu erarbeiten. Ich war mittendrin, als ein sowjetischer Offizier mir mitteilte, daß er beauftragt sei, die Arbeit zu übernehmen. Nach längerem Zögern erklärte er mir im Vertrauen, daß nur sowjetische Offiziere geheime Dokumente mit Querschnittscharakter erstellen dürften. Ausgangspunkt für diese Festlegung: eine Beschwerde irgendeiner nationalen Gruppe über die Weitergabe von vertraulichen Angaben ihrer Armee an Angehörige einer anderen Armee. Später stellte ich fest, daß es noch eine andere Abstufung in dieser Frage gab. Was zum Beispiel ein deutscher Offizier empfangen durfte, sollte ein rumänischer Offizier nicht zu sehen bekommen. Grund: In der entsprechenden Vorschrift war ein Waffensystem erwähnt, welches die rumänische Armee nicht hatte ... Im Stab und im Technischen Komitee der Vereinten Streitkräfte – insgesamt mehrere hundert Personen – arbeiteten etwa 20 Offiziere der NVA, zahlenmäßig vermutlich die kleinste nationale Gruppe. Das Verhältnis zu den Offizieren ausnahmslos aller nationalen Gruppen war kameradschaftlich und in der Regel auch herzlich. Wir arbeiteten zusammen, wohnten im gleichen Haus, unsere Kinder waren befreundet. Ich kann mich an keinen Fall nationaler Überheblichkeit oder Spannungen zwischen den Nationen erinnern. Besondere Erwartungen Allerdings schien es mir gegenüber den Deutschen eine besondere Erwartungshaltung zu geben. Die Vergangenheit begleitete uns, ein stiller, unausgesprochener Vorwurf. Haben diese Deutschen wirklich aus ihrer Geschichte gelernt? Sind sie treue und zuverlässige Partner gerade auch angesichts der zwei Deutschlands? Rückschauend würde ich unsere Einstellung so beantworten: Wir waren angetreten, die DDR zu schützen und den Frieden zu erhalten. Die militärische Konfrontation in Europa sahen wir immer als eine Konfrontation von Gesellschaftssystemen und niemals als eine zwischen den Nationen oder den Deutschen. Allerdings waren wir davon überzeugt, daß besonders der BRD die Existenz der DDR mißfiel, deren Beseitigung ihr strategisches Fernziel war und die NATO, unter für sie günstigen Umständen, bereit wäre, dieses Ziel auch mit militärischen Mitteln zu erreichen. Eine stark ausgeprägte Erwartungshaltung uns gegenüber gab es auch hinsichtlich Exaktheit, Ordnung und Disziplin. Das war wie ein Mythos, wie ein Fluch, und es fiel uns nicht immer leicht, dem gerecht zu werden. Auch mir unterliefen Fehler. Dann kam es schon mal vor, daß mein Chef sagte: »Also von Ihnen hätte ich das nicht erwartet. Die Deutschen sind doch sonst so exakt und gewissenhaft.« Und das war in keinem Fall ironisch gemeint. Ich glaube, es war vor allem die Ernsthaftigkeit, mit der wir an alle Aufgaben innerhalb der Koalition herangingen, die unseren guten Ruf begründete. Aus meiner Moskauer Sicht war unsere Armee vorbildlich in der Umsetzung der Empfehlungen des Oberkommandos. Bei gemeinsamen Übungen oder bei Lehrvorführungen, die wir im Interesse der Koalition durchführten, zeigten die NVA-Angehörigen oft hervorragende Leistungen, mit denen wir uns vor unserem Lehrmeister, eben der Sowjetarmee, nicht zu verstecken brauchten. |
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Die Gründergeneralität |
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Von Daniel Christian | |
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Mit Generalleutnant Vincenz Müller schied 1958 der letzte aus der Wehrmacht stammende General aus der NVA. Rund 30 Jahre später verließ sie mit Generalmajor Reinhard Brühl der letzte frühere Wehrmachtsoffizier (Leutnant). Von den etwa 350 Generalen, die in den 34 Jahren ihrer Existenz in der NVA Dienst taten, hatten insgesamt etwa 30 ihre Offizierslaufbahn vor 1945 begonnen. Ulbrichts Helfer: Wehrmachtsoffiziere im Dienste der DDR« – »General bei Hitler und Ulbricht: Vincenz Müller«... Das sind zwei von etlichen Buchtiteln, mit denen versucht wird, am Antifa-Lack von DDR und ihrer Volksarmee zu kratzen. Jüngst im Fernsehen – im Dreiteiler »Dienen in der NVA« – klang es sinngemäß ganz ähnlich: Wie die Bundeswehr hätte auch die NVA nicht auf die Erfahrungen der Wehrmacht verzichten können. Nun ja, an der Herkunftsgeschichte der Bundeswehr läßt sich nichts mehr ändern. Von deren 38 Generalen der ersten Stunde hatten ganze 31 ihre Meriten schon in Hitlers Truppen erworben; und nicht einer von denen hatte sich seinerzeit zum antifaschistischen Bekenntnis durchgerungen. Das läßt sich weder umschreiben noch weghistorisieren. Also muß wenigstens die Armee des »Unrechtsregimes« auch in vergleichbare Nähe gerückt werden. Was mit den publizistisch üblichen Halbwahrheiten nicht allzu schwerfällt, kamen doch 1956 in der Tat einige NVA-Generale vor 1945 ebenfalls aus dem Generalskorps. Es waren vier – vier von rund 30: die drei 1943 bei Stalingrad in Kriegsgefangenschaft geratenen Generalmajore Otto Korfes, Arno von Lenski und Hans Wulz sowie Generalleutnant Vincenz Müller, der 1944 in Belorußland die Sinnlosigkeit weiteren Kampfes einsah und mit Truppen des von ihm geführten Armeekorps kapitulierte. Daß sie alle vier – wie Dutzende weitere Generale in der Sowjetunion – sich dem Bund Deutscher Offiziere und damit der antifaschistischen Bewegung »Freies Deutschland« anschlossen und auf Antifaschulen zu neuen Erkenntnissen durchrangen, wird dabei, wenn von den Gleichsetzern überhaupt erwähnt, höchstens als Indoktrination abgehakt. (Dem zur Roten Armee übergelaufenen Wehrmachtssoldaten Heinz Keßler wollte ein eifriger Oberstaatsanwalt in den 90er Jahren vor einem bundesdeutschen Gericht gar anlasten, damals mit einem Faschisten-General wie eben Arno von Lenski paktiert zu haben!) Hinzu kamen in der NVA-Gründergeneralität sechs weitere Wehrmachtsoffiziere: die Majore Bernhard Bechler und Heinz Zorn, Hauptmann Herrmann Rentzsch, Oberleutnant Heinz Neukirchen sowie die Leutnante Heinrich Heitsch und Helmut Borufka. Sie waren allesamt aus sowjetischer Gefangenschaft mit anderen als den von den Nazis indoktrinierten Anschauungen heimgekehrt, zum Teil mit Erfahrungen im Fronteinsatz für das Nationalkomitee »Freies Deutschland«. Und die anderen 20? Sie hatten in Spanien in den Internationalen Brigaden gekämpft, in der Illegalität versucht, Widerstand zu leisten, im KZ gesessen, waren als Kundschafter für die Rote Armee unterwegs, als Partisanen im Einsatz oder wie gesagt in der Bewegung »Freies Deutschland« aktiv. In Spanien kämpften: Friedrich Dickel, Heinrich Dollwetzel, Heinz Hoffmann, Fritz Johne, Fritz Köhn, Rudolf Menzel, Ewald Munschke. Johne, Menzel und Köhn gerieten anschließend in die Fänge der Gestapo, saßen bis 1945 ebenso im Zuchthaus oder KZ wie Richard Fischer, Erwin Freyer, Kurt Vogel und Kurt Wagner. Willi Stoph und Waldemar Verner waren in illegale Arbeit eingebunden, der eine in Deutschland, der andere in Dänemark. UdSSR-Emigrant Rudolf Dölling arbeitete wie Hoffmann an Antifaschulen mit Kriegsgefangenen. Karl Linke kämpfte mit sowjetischen Partisanen; Wehrmachtsunteroffizier Felix Scheffler absolvierte wie die Soldaten Heinz Keßler und Paul Blechschmidt Fronteinsätze für das Nationalkomitee »Freies Deutschland«, und auch die kriegsgefangenen Soldaten bzw. Unteroffiziere Walter Allenstein, Artur Kunath und Siegfried Weiß hatten Antifaschulen in der UdSSR absolviert. |
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Soldat im Dauerstreß |
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Von Klaus Fischer | |
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Gewöhnlich ist das Militär nicht zur Erbauung seiner Soldaten da, selbst, wenn sich eine Truppe Volksarmee nennt. Nicht zu Unrecht übrigens. Doch von einer solchen Erkenntnis war der gemeine Rekrut bei seiner Einberufung weit entfernt. Er kam ihr in den ersten Wochen und Monaten auch nur mühsam näher. Manchen gelang es nie. Trotz mancher Unterschiede bei Waffengattungen und Diensten – Wehrpflichtige mußten zunächst durch den Seelenschredder der Disziplinierung. Der DDR-Bürger war doch sehr Zivilist und taugte, systemübergreifend wie jeder Mensch, nur schwer zum Militärdienst. Routine. Schon das Wecken um sechs Uhr gestaltete sich für den Neueinberufenen zum Alptraum: Blökende Alarmsirenen oder Trillerpfeifen schreckten ihn aus dem Schlaf. Unteroffiziere rissen die Türen zu den Schlafräumen auf, brüllten »Aufstehen«, »Nachtruhe beenden« und »Fertigmachen zum Frühsport«. Fünf Minuten später hasteten Zehntausende junge Männer zwischen Ostsee und Erzgebirge im Laufschritt übers Kasernengelände. Das machte wütend, wach, also fit für den Tag als Vaterlandsverteidiger. Dann hieß es umziehen und ab zum Frühstück: Malzkaffe oder Kräutertee. Dazu gab es Brot, Butter, Marmelade und die berühmten zwei Wurstsorten: Leber- und Teewurst. Weder satt noch zufrieden begann der Militär-Azubi so seinen Ausbildungstag. Revierreinigen, Unterricht, Exerzieren, Geländeausbildung, Schießen und Waffen säubern. Die meisten lernten schnell. Gab der Soldat zu verstehen, daß er bereit war, sich der Disziplin unterzuordnen, wurde das Alltagsleben erträglicher. Nach und nach reduzierte sich der Brüllpegel auf ein erträgliches Maß – vor allem auch, weil selbst die Unteroffiziere irgendwann müde wurden. Mit den Wochen und Monaten ging dann ein fast unbemerkter Wandel im Tagesablauf vor sich. Die Ausbilder wurden jovialer, es gab öfter Ausgang (aber meist nur bis Mitternacht), nachdem man die ersten sechs Wochen überhaupt nicht rausgekommen war. Das EK-Wesen (EK stand für Entlassungskandidat) war die Pest – wurde aber unter der Hand wie eine Tradition hochgehalten. Es gab zwischen den Einberufungsjahrgängen zum Teil erhebliche Spannungen, und das Prahlen mit der Tatsache, daß man länger »dabei« war, bot manchem Gelegenheit, sein Mütchen zu kühlen. Versteckte und offene Tyrannei zwischen den Wehrpflichtigen trübten die ohnehin nicht besonders angenehme Militärzeit zusätzlich. Es gibt folglich keinen Anlaß zur nachträglichen Verklärung dieses Dienstes. Aber es gibt Gründe, warum er notwendig war. Die NVA war zur Verteidigung der DDR da, und die hatte es dringend nötig, geschützt zu werden. Verteidigungsbereitschaft hat jedoch einen großen Nachteil: Sie muß immer gewährleistet sein. Das bestimmte den NVA-Alltag. Wer fürchten mußte, jederzeit angegriffen zu werden, konnte kein laxes Regime zulassen. Wer dagegen wußte, ihm droht keine Gefahr, oder gar selbst den Zeitpunkt einer militärischen Auseinandersetzung bestimmen wollte, dem ging es besser. Solche Armeen konnten sich wie die Bundeswehr großzügige Urlaubs- und Ausgangsregelungen leisten, ihre Soldaten kannten keine Alkoholbeschränkungen, mußten nicht Nacht für Nacht das Kasernenleben ertragen. Darum haben wir sie oft beneidet. |
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Feindbilder |
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Von Jens Walther | |
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Erst im Juni 1990 setzte BRD-Minister Gerhard Stoltenberg eine – zudem streng reglementierende – Rahmenrichtlinie für Kontakte in Kraft. Und gab seinem neuen, im März gewählten DDR- Ministerkollegen für Abrüstung und Verteidigung, Rainer Eppelmann, sofort Kontra. Der hatte im Mai vor den versammelten Kommandeuren der ostdeutschen Streitkräfte nicht nur vollmundig von regelmäßigen Kontakten auf gleicher Augenhöhe zwischen Vertretern beider deutschen Armeen geredet, sondern auch vollmundig versprochen, daß es auch in einem vereinigten Deutschland auf dem Gebiet der dann gewesenen DDR in Gestalt der Nationalen Volksarmee für längere Zeit eine zweite deutsche Armee mit einer Personalstärke zwischen 50 000 und 70 000 geben wird. Stoltenberg stellte im Juni unmißverständlich klar: In einem vereinten Deutschland wird es die Nationale Volksarmee nicht mehr geben, punktum. Propagandistischen Flankenschutz erhielt der BRD-Minister dabei nicht zu knapp. »Auflösen – ohne Rest!« forderte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Und sinngemäß: Wenn die Diktatur fällt, müssen auch ihre Werkzeuge fallen. Die Staatssicherheit war das erste, die NVA muß folgen. Restlos! Das traf offenbar den Nerv verunsicherter Bundeswehroffiziere. Mitte August 1990 warnte so etwa ein höherer Kommandeur davor, selbst junge NVA-Offiziere zu übernehmen. Bei den älteren standen die Weichen ohnehin auf Entlassung: Zum 30. September wurde befohlen, alle Berufssoldaten zu entlassen, die 1990 das 50. Lebensjahr vollenden oder schon überschritten haben. Dieser Befehl kam zuständigkeitshalber zwar noch aus dem Ministerium für Abrüstung und Verteidigung, doch wer tatsächlich dahintersteckte, ist unschwer zu erahnen. Denn über die damalige Denkweise in der Bundeswehrführung besteht kein Zweifel: In Wirklichkeit hatte sie, wie General Werner von Scheven im nachhinein bestätigte, niemals eine Vereinigung oder Zusammenführung der beiden Armeen im Sinn. »Das Ziel hieß Auflösung und Integration eines kleinen Restbestandes von Berufsoffizieren.« Vermutlich, um die im September 1990 noch verbliebenen 24 NVA-Generale und -Admirale bis zuletzt bei der Stange zu halten, wurde zu diesem Zeitpunkt die Übernahme von zwölf Spitzenmilitärs in Aussicht gestellt. Schließlich war aber doch innerhalb weniger Tage entschieden worden, auch nicht »einige nicht belastete Generale zu übernehmen«. Sie wurden kurzfristig zum 28. September ins Ministerium nach Strausberg befohlen, um sie mit Wirkung vom 2. Oktober, 24 Uhr, aus dem aktiven Dienst zu entlassen. Zum selben Zeitpunkt endete die Geschichte der NVA. Wer von den zu diesem Zeitpunkt noch 50 000 Berufs- und Zeitsoldaten trotz diskriminierender Bedingungen wie Herabstufung im Dienstgrad weiterbeschäftigt werden wollte, konnte sich auf Probe bewerben; zum Jahresende reduzierte sich ihre Zahl um die Hälfte. |
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Wir trauern um... |
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In jüngster Zeit sind mehrfach Anfragen oder konkrete Planungen bekannt geworde, die eine Durchführung von Veranstaltungen mit Bezug zum 50. Jahrestag der Gründung der NVA am 1. März in Liegenschaften der Bundeswehr zum Ziel hatten. Die NVA war die Armee des Unrechtsregimes der DDR, ihr Auftrag und ihre innere Ordnung sind unvereinbar mit dem Selbstverständnis der Bundeswehr als Streitkräfte in der Demokratie und ihrer Soldaten als Staatsbürger in Uniform. Ein ehrendes Andenken an die NVA durch die Bundeswehr ist daher ausgeschlossen. Veranstaltungen aus Anlaß der Würdigung des 50. Jahrestages der Gründung der NVA sowie Veranstaltungen, die einen erkennbaren Bezug zu diesem Jahrestag haben oder in anderer Weise den Zweck verfolgen, der NVA ein ehrendes Andenken zu bewahren, sind daher in Liegenschaften der Bundeswehr untersagt. Entsprechende Anfragen sind grundsätzlich abzulehnen. Ich bitte Sie, diesen Erlaß auch Ihnen unterstellten Bereichen zur Kenntnis zu geben. Im Auftrag Bermes Oberst i.G. Klaus Dieter Bermes ist im Kopf des Schreibens als Referatsleiter FO S 4 ausgewiesen |
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